Friedwald
Wo Mutter Natur die Grabpflege übernimmt
Das in Richtung Apfelstetten gelegene Waldstück bietet ein sehr harmonisches Bild: ein naturnaher Wald mit einem Mischbestand aus überwiegend Rotbuche, verschiedenen Ahornarten, Esche, vereinzelt Kirsche und Bergulme. Etwa zehn Hektar der insgesamt 65 Hektar als Friedwald ausgewiesenen Fläche sind bislang vorbereitet. Rund 1.000 Beisetzungen hat es seit der Eröffnung gegeben.
Die weiteste Anreise hatte bislang eine Urne aus Australien – ein ausgewanderter Älbler kehrte zurück in die alte Heimat. Die meisten Beisetzungen kommen aus der Umgebung von Münsingen. Aber auch Wanderer und Naturfreunde, die den Charme der Schwäbischen Alb zu Lebzeiten schätzen, entscheiden sich für eine letzte Ruhestätte dieser Art, sagt Friedwald-Förster Martin Schuh. Die Grabpflege übernimmt Mutter Natur.
Waldmeister und Waldveilchen bedecken den Boden, auch Frühlings-Platterbse, Haselwurz und Flattergras sowie lila-blau blühendes Immergrün sind unter den Bäumen zuhause und schmücken die Waldgräber. Mit bloßem Auge sind diese nicht als solche zu erkennen. Weder für zweibeinige Besucher noch für die vierbeinigen wie Reh, Dachs, Fuchs oder Eichhörnchen. Die Förster haben dokumentiert, wessen Urne wo vergraben ist. An die meisten Bestatteten erinnert eine Namenstafel.
Neben Plätzen an Gemeinschaftsbäumen kann man sich Partner-, Familien- oder Freundschaftsbäume sichern. Diese stehen bis zu zehn Personen als letzte Ruhestätte zur Verfügung. Welche Bäume als Bestattungsbäume infrage kommen, legen Martin Schuh und seine beiden Friedwald-Kollegen fest. Es gilt den Abstand zu anderen Gräbern zu berücksichtigen und zum Stamm des Bestattungsbaumes. Rund zwei Meter Abstand sind nötig, damit dessen Wurzeln beim Ausheben des 75 Zentimeter tiefen Lochs für die Urne nicht beschädigt werden.
Über diese und weitere Details informieren die Friedwald-Förster bei ihren Waldbesichtigungen. Denn nur wer selbst einmal einen Friedwald gesehen und erlebt hat, kann sagen, ob diese alternative Bestattungsform für ihn infrage kommt. Manche suchen sich bei der Waldbegehung direkt einen Baum aus, den sie sich reservieren. Dabei spielen auch ganz praktische Überlegungen eine Rolle, weiß Förster Lennard Köker, der den Friedwald im Schönbuch bei Hohenentringen (Kreis Tübingen) betreut. "Kommen wir auch in ein paar Jahren noch zu diesem Baum? Wir werden ja auch nicht jünger." Nicht alle Bäume sind vom Parkplatz aus gleich gut zu erreichen.
Die Preise für einen Einzelplatz unter einem Baum beginnen bei 490 Euro, bei 3.350 Euro für einen Familienbaum, an dem bis zu zehn Urnen begraben werden können. Sie variieren je nach Dicke, Alter und Erreichbarkeit des Baumes. Dazu kommen die Kosten für die Bestattung. Zwei bis sechs Bestattungen pro Woche begleiten Lennard Köker und seine Kolleginnen im Schönbuch. Sie heben das Loch für die Urne aus, meistens legen sie sie in die Erde und decken sie zu.
Die Menschen, die ihre letzte Ruhe im Wald finden, sind so unterschiedlich wie die Lebenden. Bei manchen spiele vielleicht der im Vergleich zum Friedhof günstigere Preis eine Rolle, und die Überlegung, dass sich niemand mit der Grabpflege belasten muss, so Köker. Aber auch durchaus wohlhabende Städter entscheiden sich für eine Beerdigung in der freien Natur. Bei den meisten Bestattungen ist ein Geistlicher oder freier Redner dabei, bei anderen hat die Trauerfeier schon stattgefunden.
Lennard Köker begrüßt es, wenn die Verstorbenen zu Lebzeiten vorgesorgt haben und die Angehörigen wissen, dass sie sich diese Art der Bestattung gewünscht haben. Dennoch ist Kopfschütteln unter den Trauergästen keine Seltenheit. Viele haben die Sorge, eine Bestattung im Wald sei anonym, man habe hinterher keinen Ort zum Trauern. Dabei sind mehr als 90 Prozent der Friedwald-Stätten mit Hinweisschildern versehen. Immer wieder begegnen dem Förster entfernte Bekannte von Bestatteten, die im Wald eine bestimmte Stelle suchen. Mit Hilfe der Schilder können sie einwandfrei ausfindig gemacht werden. Für den Friedwald bei Hohenentringen stehen insgesamt 60 Hektar Fläche zur Verfügung. Bisher sind rund acht davon erschlossen, ungefähr alle zwei Jahre kommt ein weiteres Stück dazu. Die Nutzung ist auf 99 Jahre ab Eröffnung festgeschrieben. Anschließend soll der Wald wieder in die Forstwirtschaft übergehen können.
Friedwälder in der Region Neckar-Alb
Betreiber der Friedwälder bei Münsingen und im Schönbuch ist das Unternehmen FriedWald mit Sitz in Griesheim bei Darmstadt. Träger und für die Pflege verantwortlich sind die Kommunen.
Wer den Wald mit eigenen Augen sehen und mehr über das Konzept erfahren will, kann sich zu einer kostenlosen Waldführung anmelden. Damit die Gruppen nicht allzu groß werden, achten die Förster darauf, dass sie bei mehr als 25 Interessierten geteilt werden, daher ist eine Anmeldung über die Zentrale über www.friedwald.de/waelder/fuehrungen sinnvoll. Auf Nachfrage sind auch Feierabendführungen möglich.
Bildquelle: FriedWald