Einfühlsame Begleiterinnen
Trauergruppe für Kinder und Jugendliche
Kinder verstecken oft ihre Trauer, um Erwachsene nicht noch mehr zu belasten, sagt die Trauerbegleiterin Xempha Rolser, die mit Heike Schneider eine Trauergruppe für Acht- bis Zwölfjährige beim Kinder- und Jugendhospizdienst in Reutlingen leitet. Da war zum Beispiel der Vater, der glaubte, seine drei Kinder würden den Verlust der Mutter gut verkraften und gar nicht trauern. "Kinder lassen
ihre Trauer oft erst in Gesprächen mit Außenstehenden wie uns heraus", sagt die Diplom-Sozialpädagogin Rita Leonard, die den Kinder- und Jugendhospizdienst unter dem Dach des Vereins Ambulanter Hospizdienst Reutlingen gemeinsam mit dem Diplom-Sozialpädagogen Dietmar Stooß koordiniert. Die Gesamtleitung hat die Sozialpädagogin Silvia Ulbrich-Bierig inne.
Bei ihnen rufen zum Beispiel hilflose Angehörige an, die sich Sorgen um ein Kind machen, das verhaltensauffällig geworden ist, sich sehr zurückgezogen hat oder durch besondere Aggressivität auffällt. "Die Kinder reden über ihre Gefühle, in diesem Fall für die vermisste Mutter, eher, wenn der Vater nicht da ist, um ihn nicht noch trauriger zu machen", sagt Xempha Rolser. "Ich vermisse dich …" heißt auch ihre Kindertrauergruppe, die sie ebenso im Ehrenamt leitet wie ihre Kollegin Heike Schneider.
Beide sind qualifizierte Trauerbegleiterinnen mit Zusatzqualifikation für den Kinder- und Jugendhospizdienst. Nach einem ausgiebigen Grundkurs rund um Trauer- und Sterbephasen, Kommunikationsformen, das System Familie und vieles mehr haben die beiden in einer Einrichtung hospitiert, wo "lebenslimitiert erkrankte Kinder und Jugendliche" leben.
Schatzkästlein
"Zugang zu einem Kind bekommen wir über Zuhören und gemeinsame Aktivitäten", erklärt Kursleiterin Rolser. "Wir erzählen Geschichten, wo es um Gefühle geht." Zum Beispiel von einem alten Dachs, der sich von seinen Freunden verabschiedet, bevor er aus dem Leben geht, und sie an gemeinsame schöne Stunden erinnert. "Diese gemeinsamen Stunden, zum Beispiel wie ein Kind, das um seine Oma trauert, die mit ihm Lebkuchen gebacken hat, sind ein Schatz", erklärt die Trauerbegleiterin. Deshalb ließ sie die Kinder in der Trauergruppe ihr ganz persönliches Schatzkästlein bauen, für Erinnerungen und persönliche Dinge, die mit dem vermissten Menschen in Verbindung stehen.
Oder die Kinder können erzählen, wie sie denken, wo der Verstorbene jetzt lebt. "Ein Kind sagte: Meine Mama sitzt auf einer Wolke und guckt runter", erzählt die Betreuerin. Auch Engel seien oft ein Thema. "Ein Junge sagte nichts und malte viele Kreise ineinander", erinnert sie sich. "In der Mitte, das Licht, dort ist meine Mama", erklärte er der Trauerbegleiterin. Die Kursleiterinnen sprechen auch mit den Kindern über ihre Bilder.
Goldene Regeln
In der Trauergruppe gibt es goldene Regeln: Jedes Kind darf ausreden, keines wird ausgelacht und Namen bleiben in der Gruppe. "Das funktioniert, die Kinder hören aufmerksam zu." Und: "Alles ist freiwillig", sagt Xempha Rolser, wenn ein Kind nichts sagen möchte, sei es auch in Ordnung. Manchen helfe auch, dem vermissten Menschen einen Brief zu schreiben, der dann von niemandem gelesen wird und im Schatzkästlein landet. Oder einfach die Erkenntnis, dass es auch andere Kinder in dieser Situation gibt.
Doch die Trauerbegleiterinnen haben es auch mit pubertierenden Teenagern zu tun, schließlich begleiten sie auch Familien über längere Zeit. "Da gibt es zum Beispiel die Tochter, die wütend ist, dass sich der Vater ihrer Meinung nach ohne Abschied aus ihrem Leben ›geschlichen‹ hat", erzählt Rita Leonard. Es gebe viele Varianten der Trauer – wie Wut, Enttäuschung, Hilflosigkeit und Leere –, bevor es ans Loslassen geht und neuer Lebensmut gefasst werden kann. "Es sind verschiedene Trauerphasen und jede braucht ihren Raum", sagt die Sozialpädagogin. Da in Familien nicht unbedingt dieser Raum gegeben sei, wo Kinder ihre Trauer zeigen können und wollen, könne solch eine Trauergruppe oder -begleitung in Einzelgesprächen weiterhelfen. Unverarbeitete Trauer könne sich traumatisch auswirken oder sich wie ein Klotz am Bein durchs spätere Leben ziehen und Probleme beim Einlassen auf enge persönliche Beziehungen bereiten.